Hochschule RheinMain
Wirkung von Sonneneruptionen auf die Erde (Weltraumwetter)



Institut für Automatisierungsinformatik

Wissenschaftler haben abgeschätzt, dass allein bei Satelliten der amerikanischen Regierung jährlich rund 150 Ausfälle auf Sonneneruptionen zurückzuführen sind. Wenn man bedenkt, wie abhängig die Zivilisation von Satelliten ist, kann man sich vorstellen, dass gewaltige Eruptionen einen großen volkswirtschaftlichen Schaden anrichten können.
 
 

Flares, CMEs, Sonnenwind und kosmische Strahlung beeinflussen durch ihre Teilchen bzw. Strahlung den erdnahen Weltraum. Die Erscheinungen und Veränderungen, die daraus resultieren, werden unter mit dem Sammelbegriff  Weltraumwetter geführt. Auf die äußerst komplexen Wechselwirkungen der Magnetosphäre, Ionosphäre und weiterer Phänomene, die das Weltraumwetter beeinflussen, wird hier nicht eingegangen. Jedoch ist, durch die zunehmende Zahl der Satelliten und fortschreitenden bemannten Raumfahrt, das Weltraumwetter Bestandteil intensiver Forschungen, siehe auch: "Das Weltraumwetter, Physik in unserer Zeit 1999/Nr.6 Seite 240).

Magnetosphäre44.jpg (57342 Byte)
Schematische Darstellung der irdischen Magnetosphäre mit Satelliten zu ihrer Erforschung. Der anströmende Sonnenwind ist durch die gelb-roten Pfeile (SW) gekennzeichnet. Die blaue Hülle (BS) kennzeichnet die "Bugstoßwelle", an der der Sonnenwind von Überschall- auf Unterschallgeschwindigkeit abgebremst wird. Die schwarzen Linien stellen die Magnetfeldlinien des Erdmagnetfeldes (innerhalb) und des interplanetaren Magnetfeldes (außerhalb) dar. Angedeutet ist auch die Verschmelzung beider. Im Schweif der Magnetosphäre ist die Bahn eines Teilchens eingezeichnet, das sich spiralförmig auf die Erde zu bewegt.
aktuelles Weltraumwetter 



Flares und das Weltraumwetter

In der Vergangenheit sind Flares bezüglich ihrer Auswirkungen auf das Weltraumwetter überbewertet worden. Der Grund dafür liegt in der relativ einfachen Beobachtungsmöglichkeit der Flares. Während CMEs, die nicht direkt von der Erde beobachtet werden können, erst in den letzten Jahren genauer untersucht werden können, werden Flares schon relativ lange aufgezeichnet. Die Schlußfolgerung, Flares wären für die magnetischen Stürme verantwortlich, erwies sich als falsch. Es gibt CMEs ohne assoziierte Flares, die magn. Stürme auslösen, aber Flares ohne CMEs verursachen keine magnetischen Stürme. Die Verwirrung ist dadurch entstanden, dass bei sehr großen Ereignissen Flares und CMEs immer gemeinsam auftreten. Es sind die CMEs, die mit ihren riesigen Gaswolken (Gesamtmassen von einigen 10^13 kg) und hohen Teilchengeschwindigkeiten für die magnetischen Stürme verantwortlich sind. Dennoch beinflussen Flares das Weltraumwetter. Zum Beispiel werden die oberen Luftmoleküle durch die von Flares emittierte Strahlung verstärkt ionisiert.
 

Effekte des Weltraumwetters

Aufgrund der oben erwähnten komplexen Zusammenhänge, die das Weltraumwetter beeinflussen, sind die Auswirkungen nicht immer eindeutig. Es  macht keinen Sinn, wie in einigen älteren Veröffentlichungen üblich, ausschließlich Flares auf  ihre Wirkung auf technische und biologische Systeme zu untersuchen. Daher sind auf dieser Seite einige bekannt gewordenen Effekte extremer Weltraumwetterbedingungen zusammengestellt, sei es aufgrund von  Flares, CMEs, Sonnenwind oder kosmische Strahlung.
 
 

Strahlung

Obwohl Flares im allgemeinen das sichtbare weiße Licht der Sonne nur wenig beeinflussen, ist die aufflackernde Radio- und Röntgenstrahlung oft mehrere 1000mal energiereicher als die normale Strahlung bei diesen Wellenlängen. Nach ca. acht Minuten trifft die erhöhte Röntgen- und UV-Strahlung die Erde und führt zu dramatischen Veränderungen in der Ionosphäre, wobei der Funkverkehr gestört werden kann. Durch die Ultraviolett- und Röntgenstrahlung kann die Temperatur in der oberen Atmosphäre auf das Dreifache ansteigen, worauf sich die Atmosphäre ausdehnt und somit Satelliten gefährdet, die dann durch Luftmoleküle gebremst werden und abstürzen können.
 
 

Ha-Flare vom 9. März 1989 Klasse 4B.jpg (81348 Byte)
 
 

Das Bild zeigt eine gewaltiges Sonnenflare von März 1989, bei dem die Energie von etwa 10 Mrd. Megatonnen Sprengkraft frei wurden.

1kt TNT entspricht 10^12 cal oder  1 163 000 kWh, für den Flare gilt der 10-billionenfache Wert. (11,63 Trilliarden Wh)

Noch ein Flarebild  (März 1989)
 
 
 
 
 
 
 
 

1980 wurde zum Sonnenfleckenmaximum der Satellit SMM (Solar-Maximum-Mission) gestartet. Sechs der sieben Instrumente an Bord wurden entwickelt, um die komplette Entwicklung eines Flares aufzeichnen zu können. Der Satellit hatte Anfangs eine Fehlfunktion und mußte repariert werden. Er war erst fünf Jahre im Einsatz, bevor er 1989 zerstört wurde. Im März 1989 ereigneten sich einige äußerst gewaltige Flares (siehe Bild oben) bzw. CMEs. Darauf dehnte sich die Lufthülle der Erde aus und bremste den Satelliten ab. Damit war der Satellit nicht mehr kontrollierbar und verglühte schließlich im Dezember in den dichteren Luftschichten. Viele weitere Satelliten sowie das Weltraumlabor Skylab sind auf diese Weise verlorengegangen (Sonnenaktivität  1979).

Das US-Verteidigungsministerium und vor allem die Luftwaffe sind an einen Untersuchung der Sonnenflares besonders interessiert, da sie den Lebensnerv - eine möglichst lückenlose, erdumspannende Kommunikation - empfindlich treffen könnten. Siehe auch Versuche in großer Höhe.
 
 
 
 

Hochenergetische Teilchen (hauptsächlich durch CMEs und kosmische Strahlung)
 
 

TeilchenSOHO3.jpg (51652 Byte)Knapp eine Stunde bis wenige Tage nach einer CME erreichen die gefährlichen, weil hochenergetischen (bis 1/4 der Lichtgeschwindigkeit) geladenen Teilchen die Erde. Teilweise wird die Erde durch ihr Magnetfeld geschützt. Befinden sich jedoch zu diesem Zeitpunkt Astronauten außerhalb der irdischen Magnetosphäre, können sie eine tödliche Strahlendosis erhalten. Auch die Elektronik und Solarzellen von Satelliten können durch das Bombardement Schaden nehmen. Der Teilchenregen kann wie die Strahlung die irdische Lufthülle erwärmen, die sich als Folge davon nach oben hin ausdehnt.

Am 7. November 1997 nahm das SOHO- Instrument LASCO- C3 den Lichtblitz eines gewaltigen Masseauswurfs CME auf. Kapp eine Stunde danach trafen energiereiche Protonen und Elektronen bei SOHO ein. Die Teilchen durchdrangen die Instrumentenwände und prasselten auf die CCD-Chips der verschiedenen Kameras. Dadurch entstanden Bilder wie in einem Schneegestöber, das erst nach Stunden wieder abklang.  Siehe auch die Aufzeichnungen von COSTEP und ERNE zu dieser Zeit.
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Die Erde ist einem permanenten Teilchenregen ausgesetzt. Doch glücklicherweise ist Erde durch das irdische Magnetfeld und die Atmosphäre weitgehend davor geschützt. Je höher und je näher man den Polen kommt um so höher wird die Stahlendosis. Das Gesundheitsrisiko ist am größten für Vielflieger, Piloten und Flugpersonal, die oft in Polnähe kommen. Die Wahrscheinlichkeit tödlich an Krebs zu erkranken ist für Menschen, die 20 Jahre fliegen, ca. 1% höher. Also viel höher als bei passivem Rauchen, aber kleiner als das Krebsrisiko eines durchschnittlichen Rauchers. Bei Astronauten und Militärpiloten in noch größeren Höhen sind die Gefahren noch mal um ein Vielfaches größer. Ein Fachmann der Kernwaffenagentur der USA sagte, dass man hochfliegende Menschen mit Drogen versorgen kann, so dass sie eine tödliche Strahlendosis kurzfristig überleben.Wegen des möglichen genetischen Schadens möchte man, daß Astronauten möglichst alle ihre Kinder zeugen, bevor sie in den Weltraum fliegen. Vermutlich liegt es an den Hormonen, dass Männer strahlungsresistenter sind als Frauen. Der Widerstand ist im Alter zwischen 45 und 50 Jahren am größten. Die meisten Astronauten sind männlich und genau in diesem Alter.

Der bisherige Schutzschild eines typischen Raumfahrzeugs genügt nicht, um den Menschen ausreichend gegenüber der Strahlung abzuschirmen. Glücklicherweise ereigneten sich große Flares bzw. CMEs im August 1972 zwischen den beiden bemannten Mondflügen im April und Dezember (Apollo 16 und 17); sie wären für die Astronauten an Bord ihres relativ ungeschützten Gefährts eventuell tödlich gewesen. Daher ist auch die lange Reise zum Mars recht risikoreich. Den ca. neun Monate dauernden Hinflug könnten die Astronauten geschützt durch die das Raumschiff umgebene Tanks sogar noch überleben. Astronauten zurückzubringen, die noch lange leben, ist jedoch äußerst schwierig.
 
 

Eine weitere Folgeerscheinung der geladenen Teilchen sind die Polarlichter. Polarlichter (eng. aurora borealis/australis) sind farbige Leuchterscheinungen, die durch Anregung und Ionisation der oberen Atmosphäre in hohen geographischen Breiten infolge einströmender Elektronen und Protonen aus chromosphärischen Eruptionen (CMEs), vorwiegend in Höhen zwischen 100 und 300 km, entstehen. Polarlichter treten in zwei etwa 5° breiten ovalförmigen Gürteln (auroral ovals) auf. Diese Ovale sind asymmetrisch um die geometrischen Pole verteilt. Während des Tages sind sie etwa 15° in geographischer Breite von den Polen entfernt, dieser Wert steigt während der Nacht auf 23° an. Ihre Lage und Ausdehnung ändert sich mit der geomagnetischen Aktivität. Zu Zeiten heftiger Sonnenaktivität kommt es vor, daß Polarlichter auf  Kuba, in Mexiko City und sogar in Singapur beobachtet werden können. In Deutschland soll es dadurch früher vorgekommen sein, dass die Feuerwehr zum jeweils nördlichen Dorf fuhr, da man glaubte, es sei ein Großbrand ausgebrochen.

 

Bilder von Polarlichtern



 
 

Polarlicht3.jpg (36863 Byte)
 
 
 
 

Polarlicht2.jpg (45123 Byte)
 
 

Die Aufnahmen wurden von der Raumfähre Discovery gemacht, die im Auftrag des US Verteidigungsministerium untersuchen sollte, wie die Polarlichter die Frühwarnsysteme für Interkontinentalraketen stören können. Eine Raumfähre flog sogar einmal durch ein Polarlicht hindurch. Während der Durchquerung sahen die Astronauten Lichtblitze, auch wenn sie ihre Augen geschlossen hielten. Die geladenen Teilchen gingen durch die Wände der Raumfähre und den Augapfel, reagierten mit Atomen des Körpers und erzeugten dabei die Blitze.







Magnetische Stürme
 
 

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Zwei bis drei Tage nach einem CME kann sich eine sog. magnetische Stoßfront bilden. Sie entsteht durch Materie, die mit hoher Geschwindigkeit von der Sonne weggeschleudert wird und auf die Magnetosphäre trifft. Im Bild sieht man, wie die Magnetosphäre dabei zusammengedrückt wird.


Entdeckung der Magnetfeldschwankungen

Großbritannien hatte sein Kolonialreich mit einem Netz magnetischer Beobachtungsstationen überzogen, u.a. weil der Kompaß für die Navigation auf hoher See so wichtig war. Der Kolonel Edward Sabine, Superintendant von vier Magnetobservatorien in den britischen Kolonien, konnte zeigen, daß globale magnetische Schwankungen mit dem Sonnenfleckenzyklus synchronisiert sind. Gelegentlich schwankten Kompaßnadel rasch und deutlich, diese Phänomene wurden geomagnetische Stürme genannt. Durch heftige CMEs kann die Magnetosphäre auf der Tagseite auf die Hälfte ihrer normalen Größe zusammengepreßt werden.
 
 


Magnetosphare.jpg (36770 Byte)

Geostationäre Satelliten (Höhe 36000km) geraten in Gefahr, wenn ein großer Magnetsturm die Magnetosphäre soweit zusammen drückt, dass die Satelliten nicht mehr geschützt werden. Die Flüsse der Ringstromteilchen erhöht sich um mehrere Größenordnungen. Dadurch lädt sich die Oberfläche eines Satelliten elektrisch auf, was zu Überschlägen führen kann, sog. "spacecraft charging".
Tiere, die sich vom Magnetfeld der Erde leiten lassen (z.B. Brieftauben), können verwirrt werden.
Die sich ändernden Magnetfelder können Spannungen bis zu einem V je km induzieren. Bei langen Fernleitungen kann es vorkommen, daß die Transformatoren in Kraftwerken ausfallen. Während eines besonders starken geomagnetischen Sturmes am 13. März 1989 fiel praktisch in der ganzen kanadische Provinz Quebec der Strom aus. Sechs Millionen Menschen hatten über neun Stunden keinen Strom. Es entstand ein Schaden von 500 Millionen Dollar. Auch in langen Ölpipelines werden Ströme induziert, was zu Korrosionsschäden führen kann. Es wurde sogar nachgewiesen, dass während Magnetstürmen die Ausfallraten bei der Herstellung von Halbleiterbauelementen ansteigen.   


Links:

Sonnen-Monitor: http://www.solarmonitor.org/index.php
Aktuelles Sonnenbild im Weißlicht: http://sohowww.nascom.nasa.gov/data/realtime/hmi_igr/1024/latest.html
Projekt für Weltraumwetter-Vorhersage: http://www.affects-fp7.eu/


Inhalt:
Prof. Dr. Gerd Küveler

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